Max* und Tika* leben derzeit noch im Südwesten Deutschlands. Im März wandern sie zusammen mit ihrer sechsjährigen Tochter auf die Philippinen aus, um ein neues Leben zu beginnen. In diesem Interview sprechen sie über ihre Beweggründe, Pläne für die Zukunft und das liebe Geld.
(*Namen von uns geändert)
Was hat euch bewogen, Deutschland zu verlassen? Wie lange ist eure Entscheidung gereift?
Wir verlassen Deutschland unter anderem wegen der immer stärker zunehmenden Bürokratie und fehlenden Digitalisierung.
Die hierzulande zu zahlenden Steuern und Abgaben sind nicht nur hoch, sondern überdies ist das Steuersystem derartig komplex, dass es einen enormen Dokumentationsaufwand und die Gefahr, ungewollt Fehler zu begehen, zeitigt, insbesondere auch dann, wenn man in Kryptowährungen investiert ist.
Außerdem störte uns die zunehmende Überwachung in vielerlei Lebensbereichen. So neigen beispielsweise Banken aufgrund der immer strikter werdenden Regulierung mittlerweile sehr viel schneller als früher dazu, Konten zu sperren oder Transaktionen bereits bei relativ niedrigen Summen unter Geldwäscheverdacht zu stellen. Galt man früher solange als unschuldig, bis Schuld zweifelsfrei bewiesen war, steht man heute – etwas überspitzt formuliert – unter Generalverdacht, bis man selbst seine Unschuld bewiesen hat.
Weitere Gründe sind, dass ich die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands aufgrund diverser Faktoren (Alterspyramide, hohe Energie- und Lebenshaltungskosten, wenig Aufgeschlossenheit Neuem gegenüber) sehr skeptisch sehe, dass unsere hochbegabte Tochter (im Alter von sechs Jahren, spricht, liest und schreibt sie bereits drei Sprachen und zeichnet einfache Funktionsgraphen in Koordinatensysteme) im hiesigen Schulsystem kaum gefördert wird, während wir sie auf den Philippinen selbst unterrichten können und wir uns überdies – last but not least – in asiatischen Ländern aufgrund der freundlich-optimistischen Menschen, des angenehmen Klimas und der größeren individuellen Freiheit immer sehr wohl fühlen.
Der Gedanke, irgendwann auszuwandern, reift schon seit Jahren in mir heran, allerdings fiel es mir nicht leicht, die endgültige Entscheidung zu treffen. Manchmal erstaunt es mich selbst, welche Macht Zweifel, diffuse Ängste und das eigene, nur schwer niederzuringende Beharrungsvermögen auf mich auszuüben vermochten.
Wie haben Freunde und Familie auf die Überlegungen und den Entschluss, auszuwandern, reagiert?
Ich fühlte mich schon immer dann am wohlsten, wenn ich unausgetretene Pfade betrat. Stellten sich jedoch von anderen Menschen normalerweise angestrebte Bedingungen (wie z. B. eine sichere, regelmäßige Arbeit unter immer wiederkehrenden Strukturen und Zeitabläufen auszuüben) ein, begann ich stets zu leiden.
Als ich vor längerer Zeit z. B. zeitweise ausschließlich von Arbitragewetten lebte, machte sich mein Vater große Sorgen, bis er irgendwann merkte, dass es funktionierte und ich mich dabei wohl fühlte. Während danach mein Umfeld froh war, dass ich endlich einen ‚guten‘, sogar mit Verbeamtung einhergehenden Job an der Uni gefunden hatte, machte mich selbst dieser Zustand immer unglücklicher, ich reduzierte meine Wochenstunden immer drastischer, bis ich diesen Sommer, nach einem Costa Rica-Urlaub, die Entscheidung traf, endgültig auszuwandern.
Wer mich also gut kennt, den vermochte unsere Auswanderungsentscheidung nicht mehr wirklich zu überraschen. Weniger enge Freunde und Bekannte reagierten oft eher mit einer Mischung aus Anerkennung/Bewunderung und Neid („Du bist schon privilegiert, dir so etwas leisten zu können“ etc.). Ja, um Erfolg zu haben, benötigt man tatsächlich auch Glück … ebenso allerdings auch die Fähigkeit und den Mut, sich bietende Chancen zu erkennen und beim Schopfe zu packen.
Viele unserer Leser leiden unter der Qual der Wahl. So viele Länder, in die man theoretisch auswandern könnte! Wie seid ihr auf den Philippinen gelandet?
Die Philippinen sind ein Land mit wunderschöner Natur, angenehmem Klima (wobei es durchaus auch vergleichsweise kühlere Orte dort gibt), freundlichen Menschen, relativ niedrigen Lebenshaltungskosten, vergleichsweise niedrigen Steuern im Rahmen eines einfach zu verstehenden, pragmatischen Steuersystems, einer jungen, Neuem (z. B. der Nutzung von Kryptowährungen) gegenüber aufgeschlossenen Bevölkerung, vielen Freiheiten, z. B. der, sein Kind selbst unterrichten zu können, und einem, verglichen mit anderen Ländern, leicht erhältlichen Langzeitvisum (SRRV). Ein weiterer Pluspunkt ist, dass die meisten Filipinos ziemlich gut Englisch sprechen und somit einer reibungslosen Verständigung mit den Einheimischen nichts im Wege steht.
Darüber hinaus stammt meine Frau ursprünglich aus Indonesien, was bedeutet, von den Philippinen aus ihre Familie wieder öfter besuchen zu können.
Welche unerwarteten Hindernisse/Probleme sind bei der “Abwicklung” eures aktuellen Lebens aufgetreten?
Wirklich unerwartete Hindernisse gab es bisher keine. Dafür ließ sich die deutsche Bürokratie – wie erwartet – nicht lumpen und setzt uns weiterhin kräftig zu. Als Beispiel möge die Kündigung unseres Stromliefervertrags dienen. Um ihn zu beenden, mussten wir nicht nur unserem Stromlieferanten sowie dem Grundversorger den Vertrag des Verkaufs mit Unterschrift des Käufers übergeben, sondern zusätzliche, ebenfalls von allen Parteien unterschriebene Nebenverträge zur Übertragung unseres Stromspeichers und der PV-Anlage sowie ein für die Änderung der Daten im „Marktstammdatenregister“ vorgesehenes Formular. Nach gefühlt zwanzig E-Mails und der Hoffnung, es sei nun alles erledigt, trudelte dann ein Schreiben des lokalen Hauptstromversorgers bei uns ein, in welchem uns zum Bezug von Strom (teure Grundversorgung) ab dem 01.03.2024 bis Ende des Jahres gratuliert wurde (ja, will denn niemand verstehen, dass wir dann einfach nicht mehr da sind?!?)
Abgesehen davon heißt es derzeit, Verträge über Verträge zu kündigen (Versicherungen, Stadtwerke, Abfallentsorgung, Internet, Mobilfunk usw. usf.), Dokumente zu besorgen, wie z. B. fürs Visum nötige, ins Englische übersetzte und überbeglaubigte Führungszeugnisse, Ehe- und Geburtsurkunden, sich um Krankenversicherung, Bankkonto und Unterkunft im Zielland zu kümmern, zu gegebener Zeit aus Deutschland abzumelden (darauf zu achten, nicht unter die „erweitert beschränkte Steuerpflicht“ zu fallen) und schließlich auch den ungeliebten Rundfunkgebühren ein Ende zu setzen.
Wenn wir es richtig verstehen, verdienst Du dein Geld überwiegend im Internet. Kannst Du uns etwas über deine Businesses erzählen?
Ursprünglich Diplombiologe, unterrichtete ich in den letzten Jahren – bei von Semester zu Semester stark abnehmender Arbeitszeit – an einer Universität zunächst Biologie und Chemie, mittlerweile MINT und Wirtschaftsmathematik – sozusagen immer das, was gerade benötigt wird und kein anderer machen will 🙂
Auf den Philippinen plane ich keiner ‚geregelten Arbeit‘ mehr nachzugehen (es sei denn, der Zufall schlägt zu und es ergibt sich etwas, was mir so richtig viel Spaß macht), sondern werde einerseits vom durch Haus-, Wohnungsverkauf und frühem Bitcoin-Erwerb angesparten Kapital leben, andererseits durch Krypto-Staking (wodurch auf den Philippinen keine zusätzlichen Steuern generiert werden!), Play-to-Earn-Gaming und Blogging (auf peakd.com kann durch Posten die Krypto-Währung HIVE erworben werden).
Der Vorteil der Philippinen besteht darin, dass Steuern für Krypto-Währungen erst in dem Moment anfallen, wo sie in Pesos (Dollar, Euro, …) getauscht werden, aber nicht bereits bei Eingang. In Deutschland kann der Erwerb von Kryptowährungen und der dadurch eintretende steuerliche Vorgang kritisch werden, falls die erhaltenen Kryptowährungen bis zum Jahresende stark an Wert verlieren. Dann können im ungünstigsten Falle die Steuern höher sein als der Wert der noch vorhandenen jeweiligen Kryptowährung, weshalb man sich auf dieses Risiko am besten gar nicht einlassen sollte. Oder eben alles, was man erwirtschaftet, sicherheitshalber sofort verkauft, was aber ja nicht der eigentliche Sinn der Sache sein sollte.
Wo seht ihr euch in zehn Jahren? Könntet ihr euch auch vorstellen, zurückzukommen oder weiterzuziehen?
Ich bin kein Freund von Worten wie „niemals“ oder „nie“, aber zumindest derzeit kann ich es mir nur schwer vorstellen, jemals wieder nach Deutschland zurückzukehren. Obwohl wir versucht haben, unsere Auswanderung so gut wie möglich zu planen und einen Ort mit für uns geeigneten Bedingungen auszusuchen, bin ich mir bewusst, dass man immer auch scheitern kann. Sollte es auf den Philippinen weniger gut laufen als erhofft und uns die Lösung der jeweiligen Probleme trotz aller Anstrengungen nicht gelingen, werden wir erneut die Vor- und Nachteile anderer Länder gegeneinander abwägen und weiterziehen.