Im Kopf sind viele Kosmopolit. Viele tagträumen davon, überall auf der Welt zu Hause zu sein. Aktuell träumen diesen Traum wahrscheinlich mehr Menschen denn je. Die wirtschaftliche Transformation stimmt viele nachdenklich, die Isolation der Lockdowns hat bei vielen Wanderlust entfacht. Die Quote derer, die dann tatsächlich zum Kosmopolit werden, ist allerdings relativ gering. Woran liegt das?
Als wir uns mit Elkes Biografie beschäftigt haben, kam uns dieser Gedanke: Kann es hilfreich sein, vom Schicksal einen Tritt in den Hintern zu bekommen? Eine verpatzte Abschlussprüfung an der Hamburg School of Music hat Elke dazu gebracht, sich schnell neu zu orientieren und ans andere Ende der Republik zu ziehen. Eine “gescheiterte” Beziehung in Helsinki hat sie motiviert, die Karten wieder neu zu mischen. Ihre Traumstadt Wien hätte sie ohne diesen Einschnitt wahrscheinlich nie entdeckt.
Auch die drakonische Corona-Politik der letzten beiden Jahre hat Menschen dazu gedrängt oder sogar gezwungen, sich neu aufzustellen. Eine latente Unzufriedenheit oder ein latentes Gefühl von “Gibt es nicht noch mehr im Leben?” ist plötzlich groß und laut geworden. Für manche unüberhörbar laut.
Elke Waibel ist Tänzerin, Yogalehrerin und mittlerweile professionelle Neuanfängerin. Ihre Stationen bisher: Stuttgart, Melbourne, München, Hamburg, Köln, Helsinki, Madeira und Wien. Dort lebt sie seit Dezember 2021 und als echte Kosmopolitin hat sie nun zum ersten Mal einen Ort gefunden, an dem sie sich vorstellen kann, alt zu werden. Durch ihre Arbeiten versucht sie mehr und mehr der Frage nachzugehen, wie man durch Bewegung seine individuelle Sprache entwickelt.
1. Beschreibe bitte deine aktuelle Lebenssituation. Wo bist Du und was machst Du?
Ich würde mich selbst als Bewegungskünstler beschreiben, denn ständig in Bewegung zu sein, ist mein Element. Sei es durch meinen Beruf als Tänzerin und Yogalehrerin oder durch meine Begeisterung für das Reisen, neue Orte, Menschen und Geschichten. Wenn ich zu lange still bin, breitet sich schnell ein inneres Gefühl von Unbehagen und Enge aus.
2. Was verbindest Du als Kosmopolit mit dem Begriff Heimat?
Heimat ist für mich ein sehr freier Begriff: Ein Ort, an dem ich ich sein darf, an dem ich mich künstlerisch ausdrücken und mit Menschen in Kontakt kommen kann. Als ich vor zwei Jahren noch in Helsinki gelebt habe, stolperte folgender Satz in meine Gedanken: Home is, where my he(art) is!
Heimat als für mich also ein ortsfreier Raum, an dem ich mich mit meinem Herz und meiner Kunst verbunden fühle.
Home is where my he(art) is!
Elke Waibel
3. Wie bezeichnest Du selber deinen Lebensstil bzw. was antwortest Du in der Regel auf die Frage “Where are you from?”
Meinen Lebensstil würde ich selbst als sehr frei und flexibel bezeichnen. Ich habe zwar Respekt, aber keine Angst vor Neuanfängen. Daher habe ich Ende 2021 auch alles wieder umgekrempelt und bin von Köln nach Wien gezogen. Natürlich war ich nervös, mit Mitte 30 nochmal alle Würfel neu zu rollen. Mutig sein bedeutet ja auch nicht, bestimmte Emotionen auszublenden, im Gegenteil! Mutig sein heißt gerade, bestimmte Ängste und Zweifel wahrzunehmen, sich davon aber nicht übermannen zu lassen.
4. Gab es einen Moment, an dem Du vom Sesshaften zum Nomaden geworden bist?
Ich glaube, es gab nicht einen bestimmten Moment, mein Naturell war schon immer sehr freiheitsliebend. Es gab allerdings Momente, die gewisse Umbrüche beschleunigt haben und mich zum Nomaden gemacht haben. In Hamburg fiel ich durch eine Abschlussprüfung der Hamburg School of Entertainment und stand auf einmal ohne Studienabschluss da. Schon am nächsten Tag saß ich im Zug nach München, um mich bei der Iwanson zu bewerben. Ich wechselte vom Fach Musical und spezialisierte mich auf das Tanzen. Im Nachhinein das Beste, was mir hätte passieren können. Eine Trennung sorgte Anfang 2021 dafür, dass ich Köln nach acht Jahren den Rücken kehrte, durch eine Freundin nach Wien kam und mich sofort in diese Stadt verknallt habe.
5. Wie wählst Du deine Reiseziele aus?
Manchmal schaue ich mir einfach Google Maps an und frage mich: Wo wäre es jetzt schön hinzureisen? Dann versuche ich etwas mehr über diesen Ort herauszufinden und wenn das Gefühl passt, ist die Reise schneller gebucht, als ich schauen kann.
6. Wie entscheidest Du, wann es an der Zeit ist, weiterzuziehen?
Entweder bekomme ich die Impulse von Außen, dann passiert es ganz schnell oder es ist ein Gefühl, das sich langsam im Inneren ausbreitet – bis es so laut wird, dass ich weiß, dass es an der Zeit ist, zu gehen.
7. Was reizt dich am Unterwegssein?
Dass ich mich immer wieder neu entdecken und hinterfragen muss. Durch das Reisen bleibe ich wachsam und erkenne viel schneller, ob meine aktuelle Lebenssituation zu mir passt, ob ich mich zu dem Menschen entwickele, der ich gerne sein möchte – oder eben nicht.
8. Könntest Du dir vorstellen, irgendwann nur noch an einem Ort zu leben?
Jein. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Wien der Ort ist, an dem ich bis zu einem bestimmten Grad sesshaft werden möchte. Wien als meine Basis, von der ich gerne weggehe und reise, dann aber mit einem Lächeln zurück komme und mich auf die Architektur, die Lebensqualität und einen guten Spritzer in der Sonne freue.
Wenn es dich auch in die große, weite Welt zieht, Du aber nicht weisst, wie Du starten sollst – dann könnte Workaway ein erster Schritt sein, um eine längere Zeit im Ausland zu verbringen.
Auch Tina Ellen lebt weltweit. Wie sie zur Teilzeitauswanderin geworden ist, könnt ihr hier erfahren.
Bist Du auch Kosmopolit? Schreibe uns gerne deine Erfahrung mit diesem Lebensstil in die Kommentare!