Warum wandern so viele Menschen nur im Kopf aus? Was hält uns im Netz gefangen? In diesem Artikel besprechen wir fünf wesentliche Gründe für das Verharren. Nicht alle werden auf alle zutreffen, aber wer bisher nur auf dem Papier ausgewandert ist, wird sich mindestens in einem der Punkte wiederfinden.
1. Der Sozialstaat ist ganz schön bequem. Er lullt dich ein. Auch wenn dich die Bürokratie nervt, tief in dir drin sind Glaubenssätze wie „Uns geht es hier schon gut!” oder „Wir sind ein reiches Land!” Daher scheint die Bürokratie eher nützlich zu sein. Denn sonst wären wir ja nicht so reich – zumindest nach der Logik dieser Glaubenssätze. Und wenn es dann mal brennt, dann verteilt der Sozialstaat ja auch noch Bonbons: Corona-Hilfen, Energiepauschale, Entlastungspakete. Irgendwie wie ein Vater, der zumindest finanziell immer für dich da ist. Eine Auswanderung wäre also so, als würde man aus dem Hotel Papa ausziehen.
2. Die mediale Angstmache funktioniert. Nicht nur Sex sells, Fear sells ebenso. Die Medienmacher wissen das. Sie setzen Angstmache gezielt und manchmal auch unbewusst ein. Horrorgeschichten über Land X sind attraktiver als sachliche Vergleiche von Volkswirtschaften. Geschichten über eine „gescheiterte“ Auswanderung beruhigen die Daheimgebliebenen. Leider triggern sie bei manchem Zuschauer auch noch die unschöne, deutsche Eigenschaft der Schadenfreude.
Apropos Angst. Als ich noch in New York gelebt habe, hatte ich einen Nebenjob als Tour Guide auf einem Doppeldeckerbus. So kam ich mit vielen Touristen in Kontakt. Eine Sache fiel mir schnell auf: Deutsche Touristen knausern beim Trinkgeld und haben ein komplett verzerrtes Bild von New York. Viele empfanden es als Wunder, dass sie es überhaupt „unausgeraubt“ vom JFK-Airport bis nach Manhattan geschafft hatten. Ihre Medien hatten sie bis obenhin vollgepumpt mit Angstgeschichten. Ich bin in acht Jahren in New York nicht einmal direkt mit Kriminalität in Berührung gekommen. Und das war, wohlgemerkt, in den Neunzigern. Kaum war ich wieder in Deutschland, hat mich am Kölner Hauptbahnhof jemand aus heiterem Himmel attackiert. PS: Wer den Empfehlungen des Auswärtigen Amts folgt, ist eigentlich nur noch in Norden-Norddeich sicher.
3. Dein Selbstvertrauen ist angegriffen. Irgendwie traust Du dir einen so großen Schritt wie eine Auswanderung nicht zu. Das Vertrauen in deine Fähigkeiten, dich in einem neuen Umfeld zurechtzufinden, ist zu schwach. Lebst Du vielleicht zu viel in deiner Komfortzone? Forderst Du dich im Alltag nicht genug heraus? Ist immer häufiger das Sofa dein Zufluchtsort? Sind deine Träume irgendwie eingeschlafen? Wann hast Du das letzte Mal etwas komplett Neues ausprobiert, nur so zum Spaß? Auch Veränderung kann trainiert werden – sie kann einem aber auch abtrainiert werden durch ein gleichgetaktetes Leben, bei dem Sicherheit immer an erster Stelle steht.
4. Dich plagen diffuse Ängste, die dich in eine Art Schockstarre versetzen. Du weißt gar nicht genau warum, aber irgendwie bist Du nicht mehr so unternehmungslustig wie früher. Deine Neugierde ist matter geworden. Insgesamt ist dein Leben eher ein S/W-Film. Alltag. Langeweile. Oft denkst Du eher daran, was schiefgehen könnte, als daran, wie aufregend eine neue Erfahrung sein könnte. Good-Bye-Deutschland vermittelt dir zudem den Eindruck, dass eine Auswanderung nur ein Projekt für Spinner ist. Du hast dich daran gewöhnt, dein Leid zu klagen, anstatt Veränderung zu schaffen. Der Frust mit deiner Lebenssituation ist fast zu einer Sucht geworden.
5. Mobilität ist nicht unsere Mentalität. Wer sich mit Amerikanern unterhält, stellt schnell fest, dass ihnen die Mobilität offenbar in die Wiege gelegt wurde. In Arkansas aufgewachsen, in Philadelphia studiert, in LA gearbeitet und dann in Texas zur Ruhe gesetzt. Eine ganz normale Biografie in den Vereinigten Staaten. Im Vergleich dazu: In Gelsenkirchen geboren und aufgewachsen, in Essen gearbeitet und in Gelsenkirchen in Rente gegangen. Etwas überspitzt, aber ihr wisst, was wir meinen. Vielleicht halten dich also auch deine Gene zurück 🙂
Wenn Du dich in dem einen oder anderen Szenario wiederfindest, bist Du damit bestimmt nicht alleine. Die eigene Konditionierung bzw. Kultur zu erkennen, ist besonders schwierig, wenn man in ihr lebt. Wer kennt es nicht: Im Ausland sieht man plötzlich Dinge, die einen an den eigenen Landsleuten stören. Durch den Kontrast werden diese Eigenarten sichtbar.
In unseren Augen ein Grund mehr, eine Auswanderung in Teilzeit auszuprobieren. In diesem Artikel liefern wir dir 7 Gründe, warum Du Teilzeitauswanderer werden solltest!
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