Schauspieler Simon: Leben im Jeep mitten in Los Angeles

Ein Leben im Jeep oder Camper ist nicht mehr nur ein Hippie-Traum. Mietpreissteigerungen und die Explosion der Energiepreise bringt viele dazu, sich nach alternativen Wohnmöglichkeiten umzusehen. Ein Leben im Wohnmobil wird dabei oft romantisiert, so wie viele andere alternative Lebensformen.

Auch wir erwischen uns bei verklärten Tagträumen, wenn an einem verregneten Tag in Köln ein Bully oder ein Wohnmobil an uns vorbeirauscht. Süden, wir kommen! Ciao, ciao – ab in die Sonne!

Im Jeep leben – die etwas andere Tiny-House-Experience

Wenn das Wohnen im Wohnmobil schon eine Tiny-House-Experience ist, dann ist es das Leben im Jeep erst recht. Diese Alternative zur Wohnung kennen wir nur aus TV-Reportagen über die Vereinigten Staaten. In Oaxaca-City lernten wir einen US-Amerikaner kennen, der von dieser Erfahrung berichten kann.

Simon haben wir beim Frühstück in einem Bed and Breakfast kennengelernt. Simon hatte die Ausstrahlung eines Zen-Mönchs und war uns sofort sympathisch. 

Als wir eines abends beim Kaltgetränk im Garten saßen und Reisenotizen austauschten, sagte Simon in einem Nebensatz, dass er bis vor kurzem in einem Jeep gelebt hatte. Mitten in Los Angeles. Für einen Moment dachten wir, uns verhört zu haben. In einem Jeep leben? Diese Aussage kam total unerwartet. Die Unterhaltung ging dann aber sofort in eine andere Richtung.

Dieser Einwurf ließ uns nicht los und so entschieden wir uns ein paar Tage nach der Weiterreise dazu, Simon anzuschreiben. Wir wollten wissen, ob er bereit wäre, etwas ausführlicher über sein Leben im Jeep zu sprechen. Seine Geschichte ist so faszinierend, dass wir sie unbedingt mit euch teilen möchten. 

In einem Van oder Wohnmobil zu leben, ist der Traum vieler Aussteiger. Auch wenn es für Simon aus einer Notlage heraus passiert ist, möchte er diese Erfahrung nicht missen. Er hat in dieser Zeit sehr viel über sich und das Leben gelernt. Die wichtigsten Lektionen teilt er mit uns in diesem Interview.  

Leben im Jeep – nie mehr Miete zahlen

Wer schon mal darüber nachgedacht hat, seine Lebenshaltungskosten radikal zu reduzieren, für den dürfte dieses Interview besonders interessant sein. Selbst bei hohen Spritpreisen ist ein Leben im Wohnmobil oder Bus verhältnismäßig günstig. Für manchen kann dieses Lebensmodell auch als Übergangslösung oder als Plan B interessant sein.

Das Leben im Jeep bedeutete für Simon absolute Freiheit.

Ich hatte absolute Freiheit! Ich konnte am Meer aufwachen, wenn ich das wollte, oder in die Wüste fahren und von Kojoten geweckt werden.



Schauspieler Simon, der ein Jahr lang in seinem Jeep gelebt hat

Interview mit Simon: Leben im Auto in L.A.

1. Bitte beschreibe deine derzeitige Lebenssituation. Wo bist Du und was machst Du gerade?

Momentan bin ich in L.A. und konzentriere mich auf meine Schauspielkarriere. Parallel arbeite ich an eigenen Filmprojekten. Ich habe eine Vision, in welche Richtung ich gehen will. Gleichzeitig lerne ich gerade, die Idee loszulassen, genau zu wissen, wie ich dorthin komme. Ich konzentriere mich einfach auf die Schritte, die direkt vor mir liegen.

2. Wie bezeichnest Du deinen Lebensstil?

Ein ständiges Abenteuer an unbekannten Orten.

3. Gab es in deinem Leben einen bestimmten Moment, in dem Du zu einem nomadischen Lebensstil übergegangen bist. Könntest Du unseren Lesern beschreiben, was passiert ist?  

In den Jahren 2009 bis 2016, als ich in Washington DC ein Musikstudio hochzog, lebte ich aus meinem Auto und meinem Büro. Unser Studio hatte ein Badezimmer und eine Küche, also war das ziemlich einfach. Ich glaube, dass ich damals auf den Geschmack gekommen bin, unkonventionell zu leben. Aber erst 2018, nachdem ich nach L.A. gezogen war und die Beziehung, in der ich damals lebte, in die Brüche ging, habe ich mich vollständig auf das Nomadenleben eingelassen. Knapp ein Jahr lang habe ich bei Freunden auf der Couch übernachtet. Ich bin so dankbar, dass ich Freunde hatte, die mich aufnahmen. Zur selben Zeit wechselte ich von der Position hinter der Kamera auf die andere Seite der Kamera. Ich wurde Schauspieler. Ich löste mein Studio auf, verkaufte meine gesamte Ausrüstung und steckte meine ganze Energie in den Kickstart meiner Schauspielkarriere. Nachdem ich Dauergast auf den Sofas meiner Freunde war, beschloss ich, in meinen Jeep zu ziehen und moderner Nomade zu werden. Anfang des Jahres habe ich den Jeep verkauft und ziehe nun wieder von Ort zu Ort, während ich an meinen kreativen Zielen arbeite. 

4. Wie war es, in einem Jeep in L.A. zu leben?   

Das erste Jahr war wie in einem Dampfkochtopf! Ich war gezwungen, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen und es gab eine Menge zu heilen und viel persönliches Wachstum. Es gibt Herausforderungen und Kompromisse, die man eingehen muss, wenn man in seinem Auto lebt, aber das Klima in L.A. ist perfekt dafür. Und ich hatte absolute Freiheit. Ich konnte am Meer aufwachen, wenn ich das wollte, oder in die Wüste fahren und ein paar Tage lang von Kojoten geweckt werden. Die Abwesenheit einer Toilette, ein Platz zum Ausbreiten und das Hin- und Herfahren zu meiner Lagereinheit, die mir als Kleiderschrank diente – das waren nur kleine Unannehmlichkeiten. Dinge, die man als selbstverständlich ansieht, wenn man in einer Wohnung oder in einem Haus lebt. 

5. Was hat dich das Leben als moderner Nomade über das Leben insgesamt gelehrt? 

Wir können leben, wie wir wollen. Die Regeln, wie wir zu leben und uns zu verhalten zu haben, können alle gebrochen werden. Es ist ein ständiges Ausdehnen unserer Komfortzone. 

6. Wie finanzierst Du deine Reisen? 

Das Universum sorgt immer für einen!

7. Welche Vorteile hat es für dich, ein Weltbürger zu sein?

Wachstum und Expansion. Freiheit. Mitgefühl und Empathie. Führungsqualitäten.

8. Wie entscheidest Du, wann es an der Zeit ist, weiterzuziehen? 

Mein Bauch sagt es mir und ich höre darauf.

9. Was sind für dich die größten Vorteile des dauerhaften Unterwegssein? 

Freiheit, Spontaneität, Abenteuer.

10. Vermisst Du manchmal ein traditionelles Zuhause? 

Es erfordert viel Energie, organisiert und diszipliniert zu bleiben, wenn man ständig unterwegs ist. Und es zwingt dich dazu, besser darin zu werden, gleichzeitig geerdet zu sein und sich treiben zu lassen.

Vom Couchsurfing zum Roadsurfing

Leben im Van California-Style

Simon says: So wurde der Jeep-Sahara zu meinem neuen Zuhause
  • Ich zog mit meiner damaligen Freundin nach L.A. und innerhalb weniger Monate endete unsere Beziehung. Wir teilten uns eine Wohnung in Downtown L.A. und ich beschloss, auszuziehen und sie für den Rest des Mietvertrags dort wohnen zu lassen.
  • Das war eine sehr dunkle Zeit für mich, die aber im Nachhinein betrachtet für meinen Weg notwendig war. Ich war persönlich an meinem Tiefpunkt angelangt.
  • An diesem Punkt entdeckte ich die Schauspielerei für mich und erlebte einen bedeutenden Aufschwung auf meiner spirituellen Reise. Kurzerhand löste ich mein Geschäft auf, verkaufte meine gesamte Ausrüstung und fokussierte mich mit aller Kraft auf die Schauspielerei.
  • Während dieser Zeit übernachtete ich monatelang bei Freunden auf dem Sofa und wohnte bei meinem Cousin und seiner Familie. Wie schon so oft in meinem Leben wurde ich aber in die Einsamkeit gedrängt. Nach und nach war ich in den verschiedenen Notunterkünften nicht mehr willkommen.
  • Eine innere Stimme sagte mir, ich sollte einfach in meinen Jeep ziehen. Nach dem Gespräch mit meinem Freund, der von mir verlangte, dass ich innerhalb eines Monats ausziehe, beschloss ich schließlich, mich auf dieses Abenteuer einzulassen.
  • Die ersten paar Monate waren ein Experiment. Ich parkte in verschiedenen Stadtteilen und erkundete die besten Plätze zum Übernachten. In einer Nacht war ich in den Bergen, in einer anderen in der Nähe des Strandes. Die Orte wählte ich immer danach aus, wo ich aufwachen wollte.
  • Ich nutzte das 24-Stunden-Fitnessstudio, um meine Grundhygiene aufrechtzuerhalten. Schließlich fand ich nach vielen Versuchen und Herumprobieren ein Ordnungssystem für meine Sachen und entwickelte einen ausgeklügelten Zeitplan. Es gab natürlich Zeiten, in denen ich zu Castings musste. Dann nutzte ich öffentliche Toiletten und einen tragbaren Dampfglätter, um meine Kleidung frisch zu halten.
  • Auch wenn ich in meinem Jeep wohnte, wollte ich nie den Eindruck erwecken, „obdachlos“ zu sein.
  • Ich wollte keinen Vollzeitjob haben, da dieser mich zu sehr eingeengt hätte. Mir war es wichtiger, mich so weit wie möglich auf meine eigenen Projekte zu konzentrieren. Deshalb schlug ich mich mit verschiedenen Nebenjobs durch, arbeitete als Statist, und als Fahrer bei Postmates. (Meine erste Lieferung war ein großartiges Erlebnis mit Halle Berry)
  • Die Zeiten waren hart und es gab Tage, an denen ich kaum etwas zu essen kaufen oder mein Auto betanken konnte. Trotzdem blieb ich in Bezug auf meine persönliche Entwicklung zuversichtlich.
  • Ich fühlte mich wie im Bauch des Wals, wie in einem Dampfkochtopf. Diese transformative Zeit hat mich sehr geprägt: Man lernt eine Menge über sich, wenn man gezwungen ist, mit sich selbst auf so engem Raum zu leben!

Fazit: Ein Leben im Wohnmobil bietet natürlich mehr Komfort als das Leben in einem Jeep. Ohne gute Organisation geht es nicht, dafür ist es wesentlich erschwinglicher und man ist agiler.

Hast Du auch schon auf vier Rädern gewohnt? Du lebst im Wohnmobil? Schreib es uns gerne in die Kommentare.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert