Janna ist digitale Nomadin, arbeitet als „Matheflüsterin“ online mit deutschen Familien und lebt dank Housesitting in England.
Sie ist 33, kommt aus der Nähe von Frankfurt und hat auf Grundschullehramt studiert. Im Jahr 2017 hat sie sich aus dem Schulsystem in Deutschland abgemeldet und nach England verabschiedet.
In diesem Interview erfahrt ihr, wie Housesitting in England funktioniert und wie man die horrenden Mieten in Metropolen wie London geschickt umschiffen kann.
1. Wie bist Du zum dauerhaften Housesitting gekommen?
In 2017 habe ich meine Zelte in Deutschland abgebrochen und bin nach England ausgewandert. Nach meiner Scheidung habe ich eine große Wohnung und das deutsche Schulsystem in Deutschland hinter mir gelassen. Ich habe den Sommer über wieder für eine Sprachreisen-Organisation in der Nähe von Brighton gearbeitet, für die ich schon in den Semesterferien gearbeitet hatte. Dort wurde mir dann eine Festanstellung angeboten.
Vor vier Jahren wollte ich ein eigenes Business starten, aber neben der Tätigkeit im Tourismus wäre dafür keine Zeit gewesen. Es war klar, dass ich nicht zurück nach Deutschland möchte und ich habe mich dann getraut, ein Leben als digitale Nomadin zu probieren. Die Nachfrage zum Thema Persönlichkeitsentwicklung war da: Wie hast Du dich getraut, allein auszuwandern? Wie traust Du dich, alleine nach London zu fahren und Couchsurfing zu machen? Das waren damals meine Themen auf Instagram.
Ich kannte schon viele Nomaden-Familien und so wusste ich, dass ich meine Fixkosten runterfahren muss. Ich kündigte meine Wohnung und konnte durch die Ersparnis sechs bis acht Monate weit kommen. Im Sommer 2020 bin ich losgezogen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich vom Housesitten nur von einigen Couchsurfern gehört. In meiner Zeit in Easebourne hatte ich viele Couchsurfer bei mir gehostet. Ich selbst war sehr oft in London couchsurfen, aber auch in Dubai, Bangkok und Basel. Dadurch hatte ich relativ viele Anlaufstellen und dachte mir, ich werde schon immer irgendwie was finden.
Als Couchsurferin hörte ich neben dem Housesitting auch immer wieder von Workaway. Corona hat mir in 2020 dann leider fürs Housesitten einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auf der Insel gab es eine Urlaubssperre und ich ergatterte nur einen einwöchigen Housesit in Salisburry. Ansonsten war ich bei Workaway und mit Couchsurfing unterwegs.
Erst im Juni 2021 musste ich, nach einem Besuch in Kiel, nach drei Monaten wieder aus Deutschland raus, da ich ja nicht mehr dort gemeldet war. Jemand empfahl mir Schweden, viel gab es nicht, aber der Housesit, der mir angezeigt wurde, passte perfekt. Nach meiner Bewerbung hab ich den auch am selben Tag bekommen und bin mit dem Zug angereist. So kam ich zu meinem ersten vierwöchigen Housesit am Arsch der Heide, in der Nähe von Lund, mit drei Katzen und einem riesigen Haus mit Garten und Auto. Das war der Startschuss für meine dauerhafte Housesitting-Reise!
Endlich Housesitting in England
Meine Sehnsucht nach Großbritannien war immer noch so groß, dass ich bereits in Schweden nach einem Housesitting in England geschaut habe. Ich habe tatsächlich einen Homesit ergattert, nämlich in Whitechapel, fußläufig zur Towerbridge, mit einer Diabetes-Katze. Den wollte wohl keiner haben, weil es bedeutete, zwei Spritzen am Tag zu setzen. Ich hatte auch keinerlei Erfahrung damit. Ich hab‘ mich aber trotzdem beworben, weil ich dachte, das krieg ich schon irgendwie hin, Hauptsache zurück nach London, Hauptsache zurück auf die Insel. Das war dann mein Einstieg fürs Housesitting in England und UK!
Die sechswöchige Erfahrung mit einer Diabetes-Katze hat sich gut in meinen weiteren Bewerbungen gemacht. Die Leute dachten wahrscheinlich, wenn sie sechs Wochen zwei Spritzen am Tag geben kann und die Katze lebt noch – die war immerhin schon 15 Jahre alt – dann muss sie wohl verantwortungsbewusst sein. Seitdem habe ich einen Housesit nach dem anderen bekommen. Es gab nochmal ein paar Ausflüge nach Zypern, Schweden und Deutschland, aber heute bin ich hauptsächlich zum Housesitting in England.
2. Hattest Du vorher ein ganz “normales” Leben in Deutschland?
Ja, das hab ich alles hinter mir. Jung verheiratet, Mann Professor, Erstbezug einer großen Wohnung im Neubaugebiet, verbeamtet auf Probe als Grundschullehrerin.
3. Housesitting in England klingt glamourös. Ist es schwierig, an Housesitting-Jobs in Großbritannien zu kommen?
Mittlerweile nicht mehr, da ich schon über 20 Fünf-Sterne-Reviews habe. Selbst bei den ganz zentralen, schicken Housesits, mitten in London – da bewerbe ich mich und kriege die zu 95 bis 99 Prozent. Dieses Jahr hatte ich eine Absage und das nur, weil jemand vor mir ähnliche Reviews hatte und ich nicht schnell genug war. Ansonsten habe ich alle Housesits bekommen, auf die ich mich beworben habe.
Ich hatte vor zwei Jahren das Glück, dass ich mich auf einen Housesit in Bristol beworben habe und da ich schnell genug war, es auch gleich geklappt hat. Der Host war eine Deutsche, die mich im Anschluss direkt gefragt hat, ob ich nicht nochmals wiederkommen möchte. Und zack war ich da feste Housesitterin! Aktuell bin ich auch hier, im Housesit Nummer 14. Die ersten vier waren in Bristol, danach ist sie nach Edinburgh umgezogen. Seitdem ist das hier wie meine Homebase. Seit Juli letzten Jahres war ich zehn mal hier und die Sits sind im Schnitt vier Wochen lang, da sie viel unterwegs ist. Das heisst, ich habe über das Housesitting ungeplant eine Homebase bekommen. Ich habe hier einen Schrank, ein paar Schubladen, kann hier Sachen lassen.
Mit den Buchungen bei ihr ist das immer so, guck du mal nach einem anderen Housesit, ich würde gerne in der und der Woche fliegen, bin aber flexibel. Meistens schauen wir dann, dass wir uns hier ein, zwei Tage überschneiden, damit wir uns sehen können. Wir haben uns über die Zeit angefreundet. Meine Mama hat hier selbst schon drei mal den Housesit übernommen, wenn ich früher los musste oder nicht konnte. Dann kam meine Mama, auch schon mal mit ihrem Freund, hier her. Das ist so ein richtiges Familienprojekt geworden.
Wenn ich nicht hier bin, bin ich hauptsächlich in London und habe mittlerweile auch da, glamourös trifft es gut, hauptsächlich sehr schicke Häuser, Townhouses, Apartmentbuildings mit Concierge. Letztens hatte ich so eine Millionenvilla in Hampstead, nur fünf Minuten von Hampstead Heath entfernt. Das war auch ganz großes Kino, mit einer Haushaltshilfe.
Um auf eure Frage zurück zu kommen: Mittlerweile ist es nicht mehr schwierig, Housesits in England zu bekommen. Im ersten Corona-Sommer habe ich, ich weiß nicht wieviele Bewerbungen geschrieben und hatte nur den einen. Und auch danach hab ich am Anfang im Schnitt so sechs, sieben Bewerbungen geschrieben, um dann einen Housesit zu bekommen. Manchmal zehn, manchmal drei, das variierte ein bisschen. Im ersten Jahr waren es wirklich sehr viele, oft habe ich gar nichts zurück gehört oder halt eine Absage bekommen. Seit einem Jahr läuft es super. Also: Durchhalten lohnt sich, es wird deutlich einfacher mit der Zeit!
4. Du bist mittlerweile beim Housesit Nummer 49 angekommen. Welches Resümee würdest Du ziehen?
Ich würde gar nicht mal so auf die Zahl 49 gehen, sondern eher darauf, dass ich das schon seit über drei Jahren mache. Der Plan war, ich werde digitale Nomadin, um meine Selbständigkeit aufbauen zu können und um kostenlose Unterkünfte zu haben, quasi um Fixkosten loszuwerden, bis mein Business läuft. Mein Business läuft seit fast drei Jahren easy. Seit anderthalb bis zwei Jahren so gut, dass ich davon leben und mir eine Wohnung leisten könnte. Aber ich will’s halt gar nicht mehr, weil es so, wie es mit dem Housesitting in England gerade läuft, perfekt ist.
Ich hätte nie im Leben gedacht, dass es so leicht sein kann, mietfrei zu wohnen – und so entspannt vor allen Dingen. Die meisten stellen sich das immer so stressig vor, dass ich zum Beispiel jetzt noch nicht weiß, wo ich ab dem 4. Januar wohne. Bis dahin bin ich tatsächlich komplett ausgebucht, hab‘ nur mal zwei Nächte zwischendurch im Hotel. Das habe ich aber bewusst so geplant.
Housesitting ist überhaupt nicht stressig, im Gegenteil! Mich stresst eher die Vorstellung, dass ich wieder Möbel kaufe und besitze und nicht einfach mein Backpack packen und losziehen kann!
Janna, Housesitterin in England (UK)
Ich kann mir das für die Zukunft schon vorstellen, wieder in eine eigene Wohnung zu ziehen. Wenn ich aber Menschen höre, die sich fragen, soll ich umziehen, soll ich nicht umziehen, Mieterhöhung oder irgendwas ist kaputt gegangen – es lebt sich so leicht ohne diese ganzen Verpflichtungen einer eigenen Homebase!
Und viele sagen ja, das ist so ein bisschen ein Schmarotzerleben. Am Anfang dachte ich das auch noch, hatte diesen Glaubenssatz, dass ich ich auf Kosten anderer lebe. Aber diese anderen Menschen, auf deren Kosten ich ja angeblich immer lebe, die sind so dankbar, dass ich gut auf ihre Katzen aufpasse (ich kümmere mich hauptsächlich um Katzen), ihnen die Post schicke, dass ich einfach weiß, was ich tue, die Wohnungen schön sauber hinterlasse. Sie wissen, da ist jemand, der Updates schickt, Katzenfotos, jemand, mit dem die Katzen gut können. Ich werde tatsächlich schon in einigen meiner Reviews als „Katzenflüsterin“ betitelt. Ich arbeite ja als Matheflüsterin, aber Katzenflüsterin, das freut mich natürlich total.
Apropos Schmarotzertum: Irgendwer würde ja sowieso da wohnen und ob ich das jetzt Vollzeit mache oder jemand anders nur als Urlaub, ist ja völlig egal. Fakt ist, es ist ein Geben und ein Nehmen. Das Resümee, das ich noch ziehen würde ist, dass es ein total schönes Gefühl ist, auch, dass einem so viel Vertrauen entgegengebracht wird. Man vertraut mir die Häuser, Wohnungen und Katzen zu 100 Prozent an, ohne dass ich die Menschen überhaupt kenne. Das fehlt doch in dieser Welt ganz oft, dass Menschen sich vertrauen. Oft wurde der Schlüssel in der Schlüsselbox hinterlegt, es gab nur 20 Minuten eine Einweisung oder Schlüsselübergabe am Abend vorher und wenn ich dann morgens ankam, waren die Hosts schon abgereist.
Ich geniesse es wirklich sehr, dass hier auf der Insel so ein großes Vertrauen herrscht, dass so viele hier Housesitting in England machen und Housesitter suchen. Dass ich das so regelmäßig erleben darf, das ist ein ganz tolles Gefühl!
5. Welches Housesitting in England ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Das ist eine echt schwierige Frage, weil sie alle besonders sind. Dieser hier ist besonders, weil das mittlerweile meine Homebase geworden ist. Und ich habe auch einen ganzen Freundeskreis in Edinburgh aufgebaut, dank meiner Liebe für Brettspiele. Direkt beim ersten Sit habe ich hier eine Gruppe von 70 Menschen gefunden, die sich jeden Freitag zum Spielen trifft.
Bei der Villa in Hampstead durfte ich mal in so einen Londoner- Luxus-Lifestyle reinschnuppern. Morgens aufgewacht, da ist die Putzfrau schon da und bringt in vier Stunden das Haus auf Hochglanz, ohne dass ich davon etwas mitkriege, weil das Haus so groß und verwinkelt ist.
In Notting Hill letzten Winter, da hatte ich Zugang zu einem Privatpark. Da konnte ich mich dann mit dem Laptop in den Park setzen, so wie in dem Film Notting Hill oder zwischendurch mal zur Portobello Road laufen und Streetfood essen.
Cottage in den Highlands, Highlife in London: Housesitting in England ist variantenreich
In Camden Town, da war ich jetzt schon drei mal, das war auch sehr besonders, weil ich da mein großes Tattoo bekomme. Ich verbinde mit den verschiedenen Housesits in England verschiedene Erlebnisse.
Vor zwei Jahren in Romford hab ich zu meinem Geburtstag ein Tattoo bekommen und als ich zurück kam, lag in der Küche ein Vogel von den Katern als Geburtstagsgeschenk. Das werde ich so schnell nicht vergessen.
Letztes Jahr war ich in den Highlands in einem ganz süßen Cottage. Das hab ich gefunden, genau für die Lücke, für die ich noch einen Housesit gebraucht habe. Ich hab mir einen Mietwagen genommen und war dann wirklich „in the middle of nowhere“. Ich kam in dieses Haus rein und habe noch gedacht, hier will ich vier Wochen herkommen und ein Buch schreiben. Es war wie aus einem Bilderbuch. Ich hab mir abends ein Feuer gemacht und lag auf einem dicken Fellteppich vor dem Kamin und hab‘ gearbeitet und hab‘ tatsächlich angefangen, ein Buch zu schreiben. Tagsüber habe ich die Highlands erkundet und Clonmore. Um ein Haar hätte ich auch die Polarlichter gesehen, leider war es bewölkt, aber die Wolken haben geleuchtet.
6. Als digitale Nomadin bietet es sich geradezu an, Housesitter zu werden. Welchen Rat würdest Du Leuten geben, die sich für Homesitting interessieren? Ist das für jeden geeignet?
Ich würde tatsächlich sagen, dass ein Haussitting nicht für jeden geeignet ist. Zum einen musst Du mit fremden Tieren klarkommen, da könnte zum Beispiel eine Tierhaar-Allergie im Weg stehen.
Es gibt auch Housesits ohne Tiere auf Trusted Housesitters, aber eher weniger. Es könnte also schwierig werden, wenn Du nicht mit Tieren klarkommst. Ich hab‘ immer Katzen, die bei mir im Bett schlafen und fände es als Host eher uncool, wenn man da die Tür zu macht und die aussperrt.
Der andere Punkt ist, dass Du aus dem Backpack leben musst. Wenn ich unterwegs bin, dann hab ich zwei Rucksäcke dabei und das war’s. Wenn Du immer deinen vollen Kleiderschrank und die Auswahl zwischen vier Handtaschen haben möchtest, dann ist das definitiv nichts für dich. Wenn Du ein Gewohnheitstier bist beim Einkaufen, dann wird es dich wahrscheinlich stressen, immer wieder rauszufinden, wo es welche Supermärkte mit welchen Produkten gibt.
Wenn Du aber bereit bist, dich immer wieder an neue Bäder, Küchen und neue Gegebenheiten anzupassen, flexibel bist und Lust hast, immer wieder eine neue Umgebung zu erkunden, dann kann es großartig werden.
Mein Tipp: Einfach mal ausprobieren, am Anfang ruhig nur als Urlaub. Wenn man die Gebühr nimmt, die man bei der Plattform bezahlt, und dann einen Housesit in seiner Urlaubsregion sucht, dann ist das immer noch günstiger als ein Hotel oder Airbnb. Durch die Tiere hat man natürlich nicht die volle Freiheit wie im Urlaub, kann aber schauen, ob das Home- und Petsitting grundsätzlich etwas für einen ist.
7. Wie verdienst Du dein Geld als digitale Nomadin?
Neben meinem Podcast und den Vlogs arbeite ich in erster Linie als „Matheflüsterin„. Das läuft online mit deutschen Familien, sodass ich damit Vollzeit aus UK arbeiten kann.
8. Wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus? Weiterhin ein Nomadenleben mit Housesitting in England oder doch wieder sesshaft werden?
Ich empfinde eine große Dankbarkeit, dass mir die Housesits diese vielen schönen Momente in London ermöglichen. Und dass ich durch die verschiedenen Sits die verschiedenen Stadteile Londons so gut kennenlerne. Das ermöglicht mir auch, eine fundierte Entscheidung zu treffen, wo ich dann mal hinziehen möchte. Wenn eine Homebase, dann auf jeden Fall in London! In etwa einem Jahr könnte ich mir das vorstellen. Langfristig hoffe ich auf die doppelte Staatsbürgerschaft. Ich möchte irgendwann auch in die Familienplanung gehen und dann hätte ich doch gerne wieder eine eigene Wohnung.