Perpetual Traveler: ein Lifestyle nicht nur für Rockstars und Superreiche

Bei dem Begriff Perpetual Traveler oder Permanent Tourist denken viele an Superreiche oder exzentrische Bond-Bösewichte, die auf ihren Yachten die Weltmeere unsicher machen. Perpetual Travelling strahlt Glamour und einen Hauch Verwegenheit aus. Stimmt dieses Klischee?

Da wir auf unserem Auswandererblog eine große Bandbreite von Modellen zum Auswandern und Teilzeitauswandern präsentieren möchten, haben wir nach einem interessanten Interviewpartner zum Thema Perpetual Traveling gesucht. Denn: Ein Interview sagt oft mehr als 1.000 Sachtexte!

Mit dem internationalen Filmemacher und Perpetual Traveler Jannis Riebschläger haben wir jemanden gefunden, der den PT-Lifestyle schon seit einigen Jahren lebt. Jannis reist nonstop und hat keinen festen Wohnsitz mehr – es sei denn, man sieht seinen Van als Wohnsitz. Fest wäre dieser dann trotzdem nicht.

Ein Leben als Perpertual Traveler hat viele Vorteile. Es bietet Bewegungsfreiheit, Meinungsfreiheit und in manchen Fällen auch größere finanzielle Freiheit. Ein Perpetual Traveler übernimmt die Eigenregie und lässt sich nicht von einem Stück Papier wie einem Ausweisdokument oder einer Bürokratie definieren und einengen.

Im Grunde ist PT eine praktische Philosophie. Es beginnt im Kopf, muss aber auch gelebte Wirklichkeit werden. Erfahrene Perpetual Traveler berichten davon, dass die globale Mobilität am Ende auch dazu führt, dass sie im Kopf immer mobiler und freier werden.

Übrigens ist es nicht so, dass ein Perpetual Traveler immer “on the road” ist. Die Modelle und Schattierungen sind so individuell wie die Menschen, die sich zu diesem Lifestyle hingezogen fühlen. Manche PTs bespielen mehrere internationale Wohnsitze, andere haben ihren Traumort im Ausland gefunden, von dem aus sie immer neue Reisen antreten.

Wenn ihr möchtet, dass wir uns in einem der nächsten Artikel etwas tiefgründiger mit dem Thema Perpetual Traveling beschäftigen, dann schreibt es uns bitte in die Kommentare. Es gibt noch viele andere Aspekte, die dieses Konzept interessant machen. PT kann nämlich auch eine Abkürzung für Prior oder Previous Taxpayer (ehemaliger oder vormaliger Steuerzahler) sein. Wir freuen uns auf euren Input!

Jannis Riebschläger ist Globetrotter, leidenschaftlicher Motorradfahrer und internationaler Filmemacher, der mittlerweile über 1.000 Filme in 50 Ländern produziert hat. Von 2015 bis 2018 hat er den PT-Lifestyle gelebt, im Frühjahr 2018 hat er sich in Hamburg niedergelassen. Dort gründetet er auch eine neue Produktionsfirma und startete einen YouTube-Kanal. Seit Ende 2021 ist er wieder dauerhaft unterwegs. Seine letzten Stationen waren Mexiko und der Balkan. Aktuell ist er mit seinem Wohnmobil in Frankreich unterwegs. Folgt Jannis auf Instagram, wenn ihr seine oft abenteuerlichen Reisen verfolgen wollt, und/oder auf YouTube für interessante Tipps rund um das Thema Videoproduktion.

Jannis ist Globetrotter und leidenschaftlicher Motorradfahrer.

Ich habe nicht kein Zuhause, sondern ganz viele Zuhause!

Jannis Riebschläger

1. Beschreibe bitte deine aktuelle Lebenssituation. Wo bist Du und was machst Du? 

Ich habe den letzten Winter in Mexiko verbracht und bin seit März wieder in Europa, um ausgedehnte Road Trips zu machen. Nach drei Monaten mit dem Motorrad durch den Balkan bin ich jetzt wieder mit meinem Van unterwegs. Aktuell bin ich an der französischen Mittelmeerküste. 

So ist momentan mein Lifestyle: Im Sommer bin ich gerne in Europa unterwegs, weil es hier viel Kulturelles und Kulinarisches zu erleben und zu genießen gibt. Im Winter zieht es mich eher in die wärmeren Länder. Ich bin sehr gerne in Südostasien und Lateinamerika. Im Grunde reise ich immer dahin, wo es mir gefällt und genieße die Vorzüge der jeweiligen Region. Manchmal ist es großartiges Essen, manchmal ist es die Lebensfreude der Menschen vor Ort und manchmal sind es einfach auch “nur” die schönen Strände. 

2. Was verbindest Du mit dem Begriff Heimat? 

Diese Frage wird mir mit am häufigsten gestellt. Wenn ich davon erzähle, dass ich seit einigen Jahren dauerhaft reise, kommt meistens als Feedback: “Boah, wie cool, ABER vermisst du es nicht, ein festes Zuhause zu haben?” 

Für mich ist Zuhause eine Mischung aus verschiedenen Bedürfnissen, die ein Ort befriedigt. Natürlich spielen auch Nostalgie und Kindheitserinnerungen mit rein. Ein zweiter Aspekt ist der Kontakt zu meiner Familie. Meine Familienmitglieder wohnen mittlerweile aber nicht mehr dort, wo ich aufgewachsen bin, sondern sind über ganz NRW verteilt. Ich reise daher ein- bis zweimal im Jahr dorthin, um sie zu besuchen. Das ist lustigerweise häufiger, als zu der Zeit, in der ich noch in Hamburg gewohnt habe. Etwas anderes, was ich mit Heimat verbinde, ist, mein eigenes Bett und einige persönliche Dinge dabei zu haben. Dieses Heimatgefühl habe ich in meinem Van gefunden. Egal wo der Van steht, wenn ich zu ihm zurückkehre, habe ich immer das Gefühl, nach Hause zu kommen. 

Das Gefühl von Heimat vermitteln mir auch soziale Kontakte. Mittlerweile leben ja nicht wenige Menschen den Lifestyle des digitalen Nomaden oder Perpetual Travelers. Alle drei, vier Monate gibt es Perpetual Traveler Events, sodass ich regelmäßig vertraute Gesichter sehe. Da sind Freunde dabei, die ich seit acht, neun Jahren kenne und in über 20 Ländern getroffen habe. Das ist ja auch das Tolle an unserer Zeit: Man kann Menschen, die man mag, immer wieder sehen, ohne an einem Ort sesshaft sein zu müssen. Tatsächlich ist es auch ein Vorteil, an vielen Orten der Welt Menschen zu kennen. So wird jeder dieser Orte irgendwie auch zu einem Stück Heimat. Ich sehe es so: Ich habe nicht kein Zuhause, sondern ganz viele Zuhause!

3 Du bist ein dauerhaft Reisender oder Perpetual Traveler (PT). Was bedeutet PT für dich?

Perpetual Traveling bedeutet dauerhaft zu reisen, ist also das Gegenstück zum Homebase-Lifestyle. Es gibt Leute, die leben fest an einem Ort und es gibt Reisende, die sternförmig reisen. Diese buchen Return-Flights und kommen immer wieder zu ihrer Homebase zurück. Der Perpetual Traveler fliegt One-Way irgendwohin und reist dann wieder One-Way zur nächsten Destination. Und immer so weiter. Perpetual Traveler sind also durchgängig unterwegs. Es gibt auch hier natürlich verschiedene Definitionen und Auslegungen. Es gibt zum Beispiel auch die Perpetual Traveler, die mehrere Bases rund um den Globus haben. 

4. Welche Vorteile hat es, ein Perpetual oder Permanent Traveler zu sein?

Der für mich mit Abstand größte Vorteil des Perpetual Traveling ist die innere Einstellung zum Reisen. Die Mehrheit hat eine Homebase und reist immer dann, wenn sich die Gelegenheit ergibt und nichts anderes zu tun ist. Diese Art zu reisen ist immer mit Aufwand und zusätzlichen Kosten verbunden, denn meine Lebenshaltungskosten an der Homebase laufen ja weiter. Miete, Auto, Mitgliedschaft im Fitnessstudio etc. Aus diesem Grund denken auch viele, dass das Reisen teuer ist. Das stimmt für mich nicht. Wenn ich meinen Lifestyle in Hamburg als Maßstab nehme, dann bin ich beim Reisen da nicht drüber. 

Teuer wird es immer dann, wenn man mehrere Lifestyle parallel finanzieren muss. Wer also seine Homebase aufgibt, weil er dauerhaft reisen möchte, dem fällt ein großer Kostenblock im Heimatland erst einmal weg. Das wirkt sich auch auf das Bewusstsein aus. Da ich keine laufenden Kosten in einem Land habe, ist es völlig egal, wo ich mich gerade aufhalte. Das macht achtsam für die eigenen Wünsche: Wo will ich in diesem Moment gerade am liebsten sein? Mit wem möchte ich gerade meine Zeit verbringen? Ich habe schon viele Reisen geplant, um Freunde zu besuchen, die irgendwo anders auf der Welt waren. Es macht auch achtsam dafür, wie ich meinen Tag gestalten möchte. Wenn ich Lust habe, Bachata zu tanzen, dann verbringe ich ein paar Wochen in Mexiko. Wenn ich mal wieder eine Jam-Session mit coolen Leuten machen möchte, um Rockmusik zu spielen, dann reise ich nach Bangkok. Wenn ich Lust auf Cityflair habe und eine gute Lebensqualität im Sommer, dann ist Hamburg eine gute Anlaufstelle. Wenn ich Lust auf einen leichten Beach-Lifestyle habe, dann sind Italien und Spanien gute Orte. Dadurch, dass man so viele verschiedene Optionen hat, erlaubt man sich dann auch zu hinterfragen, was einem wirklich wichtig ist im Leben. Das ist der Luxus beim Perpetual Traveling: man hat die Freiheit, sehr viele Dinge auszuprobieren und lernt sich selbst immer besser kennen. PT ist also eine gute Schule des Lebens.  

PT gibt einem die Freiheit, viele Dinge auszuprobieren und sich selbst immer besser kennzulernen.

Jannis Riebschläger
Als Perpetual Traveler gibt es für Jannis keine Grenzen.

5. Welche Nachteile hat es, ein Perpetual oder Permanent Traveler zu sein?

Das Leben als Perpetual Traveler hat natürlich auch Nachteile. Es kann anstrengend sein, immer wieder neu zu planen, sich immer wieder auf neue Orte einzustellen. Wo finde ich ein gutes Gym, wo kann ich gut essen? Welche Visa-Bestimmungen gibt es? Gerade zur Covid-Zeit war es stressig, sich immer wieder in die neuesten Bestimmungen einzulesen.

Allerdings steht ja auch niemand mit der Peitsche hinter einem und zwingt dich, weiterzureisen. Klar, es gibt auch Sammler, die alle Länder bereisen wollen. Das ist jetzt nicht meine größte Motivation. Wenn ich Bock habe, länger an einem Ort zu bleiben, dann mache ich das. Das ist das Schöne am Leben als Perpetual Traveler: Alles kann, nichts muss! 

Ein weiterer Nachteil: Kontaktpflege wird aufwändiger, aber es gibt da ja Alternativen, wie die erwähnten Perpetual Traveler Events. Tatsache ist aber auch, dass man sich als Perpetual Traveler aktiver um die Pflege von Freundschaften kümmern muss – das erfordert natürlich mehr Energie als zweimal die Woche in seiner Heimatstadt zu seinem Verein zu gehen. 

6. Wie finanzierst Du diesen internationalen Lifestyle? 

Ich war schon sehr früh unternehmerisch interessiert. Mit 15 Jahren habe ich meinen ersten Businessplan geschrieben und mit 18 habe ich mich mit einem Reiseblog selbständig gemacht. Das war im Jahr 2014, da gab es noch nicht so viele Reiseblogs auf dem deutschsprachigen Markt und ich hatte schon nach zwei Wochen Angebote für Sponsorings von diversen Reiseportalen. Ich habe dann auch zwei Reisebücher geschrieben. Dabei habe ich gemerkt, dass mir das Geschichten erzählen Spaß macht, das Schreiben selbst aber nicht so sehr. Darum habe ich mich dann entschieden, anstatt ein drittes Buch zu schreiben, einen Kinofilm über meinen Tramper-Trip an den nördlichsten Punkt Europas zu produzieren. Dieser Film ist gut angenommen worden und ich habe gemerkt, dass mir das Medium Film aufgrund seiner Vielschichtigkeit wahnsinnig gut gefällt. Später habe ich dann eine Produktionsfirma gegründet und viele Werbefilme für große Brands, Mittelständler und Personal Brands gedreht. Dieses Business habe ich vier Jahre lang “seßhaft” in Hamburg gemacht und inzwischen habe ich eine neue Produktionsfirma gegründet, die aber internationaler aufgestellt ist. Entweder fliege ich selbst zu meinen Kunden oder ich nutze mein internationales Netzwerk von Kameramännern. Viele Videos erfordern heute auch keinen Dreh mehr, weil sie aus Stockvideos zusammengestellt werden. Mein Schwerpunkt ist heute eher Management und Konzeptplanung. Nebenbei habe ich auch ein bisschen was an passivem Einkommen aufgebaut: Investments, Stockvideos und Onlinekurse. Im Herbst plane ich für zwei Monate in Bangkok zu sein, um dort einen Videokurs zum Thema Filmproduktion abzudrehen, der all meine Erfahrungen der letzten acht Jahre bündelt. 

7. Woran machst Du fest, wann es an der Zeit ist, weiterzuziehen? 

Ich höre da auf meine Impulse und Instinkte. Ich möchte nicht, dass Reisen zu einem Selbstzweck wird oder Länder einfach abhaken, um damit prahlen zu können. Bei mir kommt es mehr darauf an, worauf ich gerade Lust habe. Manchmal ist es die Lust auf einen leichten Lifestyle, wie ich ihn in Mexiko gefunden habe, manchmal ist es die Idee, Wildlife in Südafrika zu sehen. Manchmal lass ich mich von Landschaftsbildern inspirieren und denke “das möchte ich unbedingt auch noch sehen”. 

8. Welche Tipps hast Du für Leute, die zu Teilzeitauswanderern oder auch Vollzeitauswanderern werden möchten? 

Ich würde dir empfehlen, möglichst wenig vorab zu planen. Das Wertvollste am Perpetual Traveling Lifestyle sind die spontanen Erfahrungen vor Ort. Achtsam zu sein und in sich hinein zu spüren: Was will ich wirklich vom Leben? Viele, die gerade erst mit dem Reisen beginnen, sind unsicher und planen sich genau diese spontanen Erlebnisse kaputt. 

Mein Tipp: Sucht euch einen Startpunkt, bucht etwas für die ersten beiden Wochen, um euch zu sortieren, und schaut dann, wo es euch hinzieht. Natürlich gehen dann auch Dinge mal schief, aber auch das ist eine wertvolle Reiseerfahrung. Irgendwie geht es immer weiter, man findet kreative Lösungen für Probleme. So stärkt man ganz nebenbei auch sein Selbstbewusstsein. 

Noch eine Empfehlung zum Perpetual Traveling als Gründer, weil viele diesen Lifestyle von 0 auf 100 starten möchten – also sowohl ein Business hochziehen als auch auf Weltreise zu gehen. Das ist meistens zum Scheitern verurteilt, weil das im Grunde zwei fulltime Jobs sind. Meiner Meinung nach ist es besser, eins nach dem anderen zu machen. Du könntest mit deinem Ersparten irgendwo hin reisen und dort dein Business starten oder dich zuhause erstmal nebenher selbständig machen. 

Hast Du schon mal vom Housesitting gehört? Wenn Du Lust auf viel Reisen mit wenig Budget hast, dann könnte das etwas für dich sein! Lies dazu doch mal diesen Artikel: Warum wir Trusted Housesitters empfehlen!

Mehr zum Thema digitales Nomadentum findest Du hier: Interview mit Slomad Stefanie

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