Wohin auswandern? Eine Checkliste für Unzufriedene

Nach einer aktuellen INSA-Umfrage denkt jeder sechste Deutsche ernsthaft darüber nach, auszuwandern. Das sind immerhin 16% der Bürger, also kein Pappenstiel. Mit jeder neuen Umfrage scheint diese Zahl sogar noch zu steigen.

Wohin auswandern? Da steht nicht bei jedem dasselbe auf der Wunschliste.

Wohin auswandern? Das kommt darauf an…

Eine Frage hören und lesen wir in diesem Zusammenhang oft: Ich will auf jeden Fall weg, aber wohin auswandern? Wir haben hier bei Teilzeitauswanderer schon einige Interviews mit Auswanderern publiziert, schaut also gerne mal dort vorbei: Auswandern nach Bulgarien, Auswandern nach Irland & Auswandern nach Neuseeland.

In diesem Beitrag möchten wir das Nachdenken über das Thema Auswandern beflügeln, in dem wir euch eine kleine mentale Checkliste liefern. Lasst euch überraschen, es werden wahrscheinlich einige Fragen und Tipps dabei sein, die ungewöhnlich sind. 

Das perfekte Land zum Auswandern gibt es nicht

WARNHINWEIS: Wahrscheinlich gibt es das eine, perfekte Land zum Auswandern für die meisten nicht. Ein Portfolio an Aufenthaltsorten hingegen macht dich agiler, denn die Dinge können sich politisch sehr schnell ändern.

Wenn Du zu den Menschen gehörst, die eine neue Heimat suchen, dürften dir diese Fragen helfen:

  1. Kann ich dort über meine Verhältnisse leben?

Dieser Satz wird einigen aufstoßen, insbesondere den Frugalisten unter euch, die ja gerade die Lifestyle Inflation als den Ursprung allen Übels sehen. Stimmt. Was meinen wir: Nehmen wir an, dass Du über einen ortsunabhängigen Cashflow von 2.000 Euro im Monat verfügst. Das könnten eine Rente sein, Mieteinnahmen, Dividenden oder deine Honorare als Freelancer.

Nun stelle dir folgende Frage: Wie lebe ich damit in Deutschland und wie könnte ich damit zum Beispiel in Polen, Spanien oder Thailand leben? Ihr habt es wahrscheinlich schon erraten, das Stichwort hier ist Geo-Arbitrage

  1. Bin ich dort ein gerne gesehener Typ? 

“Go where you are treated best!” ist das Motto vieler Freigeister. Wenn wir ganz ehrlich sind, ist es das Motto der meisten Menschen. Viele von uns sind allerdings nicht unabhängig genug, um es im großen Stil zu machen.

Im Alltag kennen wir diesen Mechanismus alle: In der einen Kneipe werde ich ignoriert und warte lange auf mein Bier, in der anderen begrüßt man mich mit Namen und das Kölsch steht vor mir, bevor mein Hintern den Barhocker berührt. Für welche Pinte entscheide ich mich?

Wer reist, wird dieses Gefühl auch kennen: In manchen Ländern ist man gerne gesehen und wird als Mensch wahrgenommen, in anderen hat man den Eindruck, nur ein Geldautomat mit Beinen zu sein. 

  1. Wie spricht die Bäckereiverkäuferin mit dir? 

Der Alltag ist so wichtig. Die kleinen Situationen, die Begegnungen am Rande. Der Umgang miteinander im Straßenverkehr oder im Restaurant. Uns ist bei einem Housesit auf Mallorca zum Beispiel aufgefallen, wie entspannt und ganz ohne Statusspiele die Einheimischen mit den Kellnern umgehen. Das hat uns richtig gut gefallen, weil es eine Grundhaltung, eine Mentalität zeigt. Als Menschen, die nicht in Status-Kategorien oder Hierarchien denken, sondern Menschen immer demokratisch auf Augenhöhe begegnen, hat das unser Wohlgefühl gesteigert. 

  1. Interessiert mich die Kultur und die Sprache ohnehin? 

Wenn ich mit buddhistischen Traditionen wenig anfangen kann, ist Thailand wahrscheinlich nicht das beste Land zum Auswandern. Wer bereits den Klang einer Sprache kaum ertragen kann, sollte lieber die Finger von dem betreffenden Land lassen. Das klingt offensichtlich: Ihr werdet euch wundern, wie viele Expats und Auswanderer wir getroffen haben, die auch nach Jahren kaum Wissen über die Kultur, Geschichte und Sprache ihrer neuen Heimat haben. Don’t be that guy! 

  1. Dreht den Spieß um: Was genau frustriert euch im eigenen Land? 

Wenn ihr hinterfragt, was genau euch an eurem aktuellen Aufenthaltsort stört, erstellt am besten eine Hitparade. Ein Beispiel: 1. das Wetter 2. die Politik 3. der Umgang miteinander im Alltag

Jetzt habt ihr ein grobes Raster, mit dem ihr eurer neues Land auswählen könnt. Wenn viel Sonnenschein muy importante ist, fällt Skandinavien wahrscheinlich flach. Wenn eine rationale Politik auf eurer Liste weit oben steht, ist ein Land mit einer hochideologischen Regierung wie Kanada ein Problem. Mögt ihr einen freundlichen und höflichen Umgang im Alltag, müsste Indien durch euer Raster fallen. 

Als Teilzeitauswanderer üben wir sozusagen wohin wir auswandern könnten.

Als Teilzeitauswanderer die Länder auf deiner Liste erkunden

Vielleicht hilft euch diese Checkliste etwas bei der Vorauswahl. „Wohin auswandern?“ ist tatsächlich eine dieser Fragen, die wir immer häufiger hören. Pauschale Antworten sind unsinnig, weil jeder Auswanderer andere Ansprüche und Wünsche hat. 

Als Teilzeitauswanderer könntest Du nun alle Länder oder Regionen, die es auf deine Liste geschafft haben, genauer untersuchen. Versuche, mindestens ein paar Monate in dem Land zu verbringen. Das geht am einfachsten über ein Housesitting oder einen Workaway-Aufenthalt.

Hast Du auch schon einmal über Auswandern nachgedacht? Welche Länder stehen auf deiner Liste? Schreib es uns gerne in die Kommentare.

2 Kommentare

  1. Die „Teilzeitauswanderer“ haben uns inspiriert, auch endlich den Traum vom Leben in einem anderen Land wahr werden zu lassen. Der Trigger für uns war „Teilzeit“. So flexibel wie Lola und Chris sind wir nicht und können nicht immer ein anderes Ziel zum Leben auswählen, denn bei uns erfordert das Arbeiten eine gewisse Infrastruktur (dazu später mehr) und wir können nicht so lange von Deutschland weg sein. Aber wir können häufiger von Deutschland weg sein (Smiley einfügen).
    Also erste Frage: „Wohin?“
    Spanien war unser Favorit. Die Leute sind relaxt, gut gelaunt und freundlich zu Ausländern, die Spanisch sprechen möchten.
    Die Anreise ist mit dem Flugzeug zeitlich gut machbar. Leider gibt es noch keine gute (Nacht-) Zugverbindungen. Aber wir hoffen darauf.
    Plan A war eine Insel der Balearen, favorisiert war Formentera. Aufgrund der Größe der Insel gibt es aber im Winter kaum kulturelles Programm. Die Restaurants sind in den Küstenorten überwiegend geschlossen. Und dann hat sich auch noch das Klientel der Urlauber in den letzten Jahren sehr stark in Richtung wohlhabend/versnobt geändert. Damit sind wir raus.
    Mallorca wäre eine Alternative, allerdings schreckte uns hier das (deutsche!) Publikum im Flieger ab. Die Insel ist zwar sehr sehr schön, aber sie erschien uns auch sehr touristisch.
    Also schauten wir uns das spanische Festland an. Wir wollten gerne in eine Stadt, die an der Küste liegt und nicht mit Betonburgen zugebaut ist. Es sollte auch im Winter Leben in der Bude sein und nicht nur Touristenort mit Geisterstadt-Feeling außerhalb der Saison. Außerdem wollten wir ein abwechslungsreiches, vegetarisches Restaurantangebot und nicht nur Paella, Fleisch in allen Formen und patatas bravas (obwohl die lecker sind!). Damit waren die typischen Ferienorte raus und wir sind recht schnell bei Valencia gelandet.
    Außerdem brauchten wir eine Wohnung, die das Arbeiten vor Ort für uns möglich macht. Das heißt: Schreibtisch mit zwei Bildschirmen, genügend Platz für eine Yogamatte, schnelles und stabiles Internet für Video-Konferenzen und Online-Yoga. Natürlich strandnah, denn wir lieben beide das Meer. Aber sie sollte auch gut an das Zentrum angebunden sein. Nicht zu viele Eigentümer, die Eigentümergemeinschaft sollte überschaubar sein und das Gebäude einigermaßen neu…
    Wir hatten einfach mega-Glück und haben die Wohnung unserer Träume gefunden. Aber man muß schnell entscheiden, wenn die Traumwohnung erscheint, denn sonst ist sie weg. Das war für uns eine richtige Herausforderung, denn wir wägen gern unsere Entscheidungen ausführlich ab und das dauert (Smiley).
    Als wir die Wohnung dann hatten und das erste Mal länger dort waren, haben wir festgestellt, dass wir einige Kompromisse bei der nächtlichen Lautstärke machen müssen – Spanien ist einfach laut und das Leben findet zum großen Teil nachts statt – auch im Winter! Wir haben den Parkplatz einer Disko mit lautem Publikum vor der Tür. In Kombination mit „spanischen“ Fenstern schult es gehörig unsere Toleranz gegenüber der Lautstärke (Smiley einfügen). Wir zwei Bauingenieure planen zwar ein paar bauliche Verbesserungen an der Wohnung, aber auch hier müssen wir lernen, dass Spanien andere Standards hat – nächste Herausforderung: Abstriche machen. Die Wohnung ist auch ein bißchen klein, also noch ein neues Lernfeld: aufräumen und nicht so viel Zeug anhäufen.
    Und was bekommen wir dafür? Glück!
    Die Spanier sind offen und lebenslustig und lehren uns Deutsche das Leben lockerer zu nehmen. Auch die Toleranz gegenüber den Mitmenschen ist größer als bei uns. Sie leben draußen und sind oft in größeren Gruppen unterwegs, die eigene Wohnung steht gar nicht im Vordergrund. Man zeigt nicht, was man hat, man zeigt sich selbst: im Café, Restaurant, mit Campingstühlchen auf der Strandpromenade – egal wo, Hauptsache Mensch unter Menschen. Wir sind am Meer und das ist einfach toll.

    Noch vor ein paar Jahren hätten wir uns nicht getraut, „so was verrücktes“ zu machen – und jetzt halten wir es für die beste Entscheidung überhaupt.
    Auch wenn natürlich bei jedem andere Randbedingungen gegeben sind, vielleicht helfen Euch unsere Überlegungen bei der eigenen Suche nach einer Wohnung im Ausland oder irgendetwas aus unserer Story „triggert“ Euch an und Ihr entwerft einen eigenen neuen Lebensplan. Egal wie, wir wünschen Euch viel Spaß und Erfolg dabei!

    1. Liebe Teilzeitauswander-Kollegen Britta & Thomas!

      Vorab: Vielen Dank, dass ihr euch so viel Zeit genommen habt, euren „Entscheidungsbaum“ zu teilen! Ich hoffe sehr, dass eure Geschichte andere Leser „triggert“, auch mögliche Ängste/Bedenken zu überwinden.

      Da wir selbst gerade auf Mallorca sind, können wir eure Einschätzung bestätigen. Wobei Palma vielleicht eine Alternative zu Valencia hätte sein können 🙂

      Uns hat eure „Sozialstudie der Spanier“ gut gefallen. Es geht hier wirklich mehr um den Menschen und weniger um seinen Besitz. Uns ist das nach ein paar Wochen auf der Insel aufgefallen: Der Umgang mit den Kellnern ist überhaupt nicht „von oben herab“, sondern auf Augenhöhe, fast familiär. Einfach entspannt.

      Kann mich eurem Fazit nur anschließen: Jeder hat andere Rahmenbedingungen, aber es lohnt, sich innerhalb dieses Rahmens umzuschauen. Dinge auszuprobieren. Erste Schritte zu gehen.

      Sonnige Grüße aus Spanien

      Lola & Chris

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert